WSJF - mehr als nur priorisieren

Die richtige Reihenfolge der Backlog-Einträge ist bei der agilen Entwicklung entscheidend. Die dazu notwendige Priorisierung wird durch den Product Owner oder in SAFe auf Stufe Programm vom Product Manager durchgeführt. Im Lean Portfolio Management entscheiden sogar mehrere Personen über die Priorität der Einträge. Wie sieht es aber aus, wenn viele verschiedene Vertreter aus den Fachbereichen und aus dem Management zusammen ein Backlog priorisieren? Wie schaffen wir es, eine Einigung zu erreichen, ohne dass einzelne Personen ihre Machtposition aus der Hierarchie dazu verwenden, die Priorisierung zu ihren Gunsten zu beeinflussen?

 
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WSJF

Don Reinertsen beschreibt in seinem Buch Principles of Product Management Flow die Methodik "Weighted Shortest Job First" (WSJF), mit der, basierend auf der Cost of Delay und der Grösse (Job Size), Einträge einer Liste in eine Reihenfolge gebracht werden können, um den besten wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen. Hierbei wird einfach der Wert für Cost of Delay durch die Grösse dividiert. Mit Cost of Delay wird ausgedrückt, was es die Firma kostet, wenn später geliefert wird. Das kann von entgangenem Umsatz, Rückgang der Kundenzufriedenheit bis zu gesetzlichen Strafen vieles umfassen. Somit gilt es, den gesamten Cost of Delay zu minimieren. 

Eine gute Annäherung für Cost of Delay ist die Summe aus Business Value, Time Criticality und Risk Reduction/Oportunity Enablement.

 
Formel+WSJF.png
 

BV: Business Value
TC: Time Criticality
RR/OE: Risc Reduction / Opportunity Enablement

Parameter bestimmen

Die Werte für die Parameter BV, TC, RR/OE werden wie beim Schätzen von Stories gemäss den Werten der Fibonacci-Reihe (1, 2, 3, 5, 8, 13, 20, 40) vergeben. Dabei gehen wir wie folgt vor:

  • Die einzelnen Parameter werden der Reihe nach immer für alle Einträge der Liste gleichzeitig bestimmt.

  • Es wird der Eintrag in der Liste gesucht, der den kleinsten Wert hat. Ihm wird der Wert Eins zugewiesen.

  • Bei allen anderen Einträgen wird jetzt abgeschätzt, ob sie gleich gross oder grösser sind.

  • Wenn der Wert für diesen Parameter in etwa gleich ist, wird auch eine Eins gesetzt. Ansonsten den Wert, der im Vergleich am nächsten kommt.

  • Haben alle Einträge der Liste für diesen Parameter eine Zahl erhalten, wird geprüft, ob alle Einträge mit der gleichen Zahl somit für diesen Parameter in etwa auch gleich gross sind.

  • Es wird mit dem nächsten Parameter weitergefahren.

Wie beim Magic Estimation hängen wir die Zahlen 1 - 40 (Fibonacci-Reihe) an der Wand auf oder legen sie auf einem grösseren Tisch aus. Die einzelnen Einträge der Liste werden ausgedruckt und wie oben beschrieben zu der entsprechenden Zahl hingelegt. So kann einfach und schnell eine relative Abschätzung der einzelnen Parameter erfolgen.

 
Magic+Estimation.png
 

Hier noch ein paar Do's und Don'ts, damit es besser gelingt.

Do's

  • Sorge dafür, dass die Einträge in der Liste über ausreichend Informationen verfügen, damit über die einzelnen Parameter diskutiert und der Wert zugewiesen werden kann

  • Vergleiche die fachlichen Aspekte zwischen den Einträgen

  • Versuche rasch gemäss Magic Estimation den Einträgen Werte zuzuweisen und ändere sie nachträglich, als den genauen Wert zu bestimmen

  • Alle Beteiligten sollen bei der Wertzuweisung mitwirken -> schafft Verständnis.

Don'ts

  • Die Werte zu allen Parameters gleichzeitig bestimmen

  • Nur Spezialisten beurteilen lassen

  • Wertzuweisung als "Hausaufgaben" offline durchführen

  • Die Werte für die einzelnen Parameter beim Eintrag speichern und beim nächsten Priorisieren wieder verwenden

 

Job Size

Die Job-Size kann direkt oder indirekt bestimmt werden. Die Werte aller Einträge sollten jedoch relativ zueinander sein. Die Berechnung von WSJF ist nun einfachste Mathematik. Wird die Liste nun gemäss WSJF-Wert absteigend sortiert, ist der Eintrag mit dem höchsten Wert aus wirtschaftlicher Sicht als erstes umzusetzen, weil er das beste Kosten/Nutzen-Verhältnis hat. Wie gesagt, dies ist ein Vorschlag. Sie dürfen auch eine andere Reihenfolge bestimmen.

Mehrwert von WSJF

Wo ist denn jetzt der Mehrwert der WSJF-Methode gegenüber anderen Priorisierungsvorgehen?

Sind wir ehrlich. Schon beim Bestimmen des Business Value geht die Diskussion doch los. Wie gross soll der Nutzen denn sein und wie sollen wir ihn quantifizieren? Können wir denn die Kundenzufriedenheit mit mehr Umsatz vergleichen? Ja ... und wir müssen sogar. Dabei spielt es keine Rolle, ob dahinter eine sauber nachvollziehbare Formel steht. Wichtig ist, dass sich die Beteiligten über den Nutzen austauschen und einig werden, welcher Grössenordnung es im Verhältnis zu den anderen Einträgen etwa entspricht. Ist der Business Value bei allen Einträgen mal diskutiert, sind die weiteren Werte schneller bestimmt, weil jetzt alle wissen, worum es bei den Einträgen geht.

Die Diskussionen rund um die einzelnen Parameter aus dem "Cost of Delay" sind sinnvoll und sehr nützlich. Am Ende ist die Job-Size jedoch der entscheidende Parameter. Grosse bis sehr grosse Aufgaben haben kaum eine Chance oben in die Reihung zu kommen. Denn werden zu grosse Aufgaben in Auftrag gegeben, droht es zur "Verstopfung" der Prozesse zu kommen. Werden die Einträge jedoch in kleinere und somit "verdaubarere" Einheiten zerlegt, gelangen diese leichter in den oberen Bereich der Liste und somit schneller zur Umsetzung. Kleinere Aufträge sind überschaubarer und weisen grössere Erfolgschancen auf. Durch das zerlegen in kleinere Aufgaben wird auch angeregt, sich über das MVP (Minimal Viable Product) Gedanken zu machen und aus heutiger Sicht unnötige "goldene Wasserhähne" - Funktionalität mit wenig bis keinem Nutzen - vorerst mal wegzulassen.

 
WSJF+-+Kosten+Nutzen.png
 

Mit einer Priorisierung gemäss "Weighted Shortest Job First" erhalten Sie die Chance, mit weniger Geld mehr Leistung oder Nutzen zu erreichen. Dafür muss aber Einigkeit herrschen, was der Nutzen ist. Einigkeit erzielt man nur, wenn alle transparent ihre Anliegen auf den Tisch bringen und alle an einem gemeinsamen höheren Ziel - der Unternehmensstrategie - ausrichten. 

 

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Wir machen's einfach!

Autor: Ulrich Brawand

 

 

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